Was ist denn eigentlich gerade in mir los?

14.03.2024

"Wenn wir unsere Bedürfnisse nicht ernst nehmen, tun es andere auch nicht."

Marshall B. Rosenberg

Innerhalb einer Woche habe ich dreimal gehört oder mitbekommen, u.a. in einer Grundschule, die den Kindern die "Giraffensprache" beibringen, wie bzw. was Menschen beim Erlernen der Gewaltfreien Kommunikation - aus ihrer Sicht - gelernt haben .                                                                                                Sie haben gelernt, dass folgende Frage ganz wichtig ist: "Was brauchst DU gerade?" oder auch: "Was ist in DIR gerade lebendig?". Sie haben gelernt, wie sie mit ihrem Gegenüber sprechen und empathisch umgehen können. Das hat mich überrascht und nachdenklich gemacht, weil es in der GFK nicht nur darum geht, empathisch nach außen zu sein, sondern auch mit sich selbst empathisch umzugehen.  Ich habe mich entschieden dazu etwas zu schreiben, weil es mir am Herzen liegt, zu zeigen,  wie wichtig Selbstempathie ist.
In diesem Artikel beschreibe ich eine der wichtigen Säulen der Gewaltfreien Kommunikation. Diese Säule ist für mich essentiell, damit ein wohlwollendes und wertschätzendes
Miteinander auf Augenhöhe entstehen kann.


Selbsteinfühlung - Selbstempathie 

> mich selbst mitfühlend umarmen und mir selbst die Fragen stellen:

"Was ist gerade in mir los?", "Was ist lebendig in mir?", "Was brauche ich gerade?"

im Sinne von:

"Was fühle ich gerade?" & "Welche/s Bedürfnis/se ist unerfüllt?"


Welche Gedanken kommen jetzt bei dir?

Vielleicht:

"Ja, das verstehe ich." oder

"Ganz schön egoistisch."

"Also wenn jetzt jeder nur noch an sich selbst denkt, dann wird das nichts mit dem Miteinander..."

"Nein, das sehe ich anders. Ich muss erst schauen, dass es allen um mich herum gut geht und dann - vielleicht - kann ich mich um mich kümmern."


Stell dir mal vor, jeder Mensch würde, wenn er zum Beispiel sich ärgert, frustriert oder enttäuscht ist, erstmal bei sich und in sich schauen, was gerade in ihm selbst passiert.                               Verantwortung übernehmen für sich, seine Gefühle und Bedürfnisse.

Beispiel:

Jemand sagt ärgerlich zu mir: "Du bist schon wieder unpünktlich."

Ich merke, wie mich diese Aussage innerlich ärgert. Bemerke ein Grummeln im Bauch. Gleichzeitig wäre ich jemand, der schon angefangen hat GFK zu lernen und habe sie so verstanden, dass ich schaue, was der andere braucht. Empathisch zu meinem Gegenüber bin. Ihn sehe und höre mit dem, was da ist. Nehmen wir an, dass ich den Ärger nicht gleich rauslasse und es somit zu keinem Streit kommt.

Natürlich kann ich demjenigen empathisch begegnen, wie zum Beispiel.: "Dir ist es wichtig, dass Absprachen eingehalten werden?" (Verlässlichkeit) oder "Mmh." und den Ärger anhören oder ähnliches. Etwas, was zum Gegenüber passt, sodass er spürt, dass er ernst genommen und gehört wird.

Ja, wir können Empathie nach außen geben. Bei bestimmten "Triggern" frage ich mich allerdings, was ist mit einem selbst? Wo ist der Raum und die Empathie für mich? Was ist mit dem Grummeln in meinem Bauch und vor allem:

Bin ich denn wirklich echt und PRÄSENT beim anderen? Ist diese Empathie echt, wenn es doch auch bei mir grummelt?? Was denkst du? Schiebst du deine eigenen Gefühle und Bedürfnisse auf die Seite?

"Bei einem Streit ist auf beiden Seiten der Wunsch gleich groß, ernst genommen zu werden."

Marshall B. Rosenberg

Ja, das ist tatsächlich so und aus diesem Grund ist es hilfreich, wenn einer von beiden empathisch sein kann. Das klappt nicht, wenn mein eigenes Grummeln gehört und gesehen werden will.

In der Gewaltfreien Kommunikation ist es so, dass die Bedürfnisse in beide Richtungen gehen.           Das bedeutet, wenn es mir wichtig ist empathisch und mitfühlend mit meinen Mitmenschen umzugehen, gilt das auch für mich. Ich darf auch mit mir selbst empathisch umgehen.

Zurück zum Beispiel:

Jemand sagt ärgerlich zu mir: "Du bist schon wieder unpünktlich."

Selbsteinfühlung in Gedanken: "Puuh, wie geht´s mir jetzt? Was fühle ich? Ich spüre Druck in der Brust, ein Grummeln im Bauch und mein Puls schlägt stärker als vorher. Ja, ich stehe unter Druck, spüre Ärger in mir (das Grummeln im Bauch) und ich spüre auch Traurigkeit. Oh ja, ich spüre, dass ich gerade traurig bin. Was ist gerade unerfüllt? Ich bin gerade traurig, weil ich gesehen werden möchte. Ja, ich möchte gesehen werden, dass ich mein Bestes gebe und auch mir sind Absprachen wichtig. Es wäre schön, wenn mein Gegenüber mich fragen würde, warum ich nicht zu verabredeten Zeit da war. Ja, ich möchte gehört werden und ich möchte gerne eine entspannte und freundliche Zeit mit demjenigen verbringen (z.B. Miteinander, Harmonie). Ich spüre, dass es mir besser geht. Der Druck in meiner Brust ist weg. Das tut gerade gut. Ich bin erleichtert und spüre Verbindung zu mir.

"Mit unerfüllten Bedürfnissen in Kontakt zu kommen, ist wichtig für den Heilungsprozess."

Marshall B. Rosenberg 

Und weißt du, was dann Magisches passiert? Was ich bei mir selbst, in meiner Familie, bei Freunden, in Schulen und auch in Coachings erlebe?

Ich nenne das Magie, weil ich immer wieder überrascht bin, wenn dieser - ich nenne es - Switch passiert:

Die Menschen, denen entweder empathisch zugehört wird, von jemanden der nicht beteiligt war, oder Menschen, die sich selbst empathisch in Gedanken zuhören, drehen sich (relativ plötzlich) dem Gegenüber zu,.                                                                                                                                                                    Sie werden "weich" und fangen an, den anderen zu sehen mit seinen besten Absichten und fragen sich, was derjenige denn für einen guten Grund hatte, so zu handeln, wie er gehandelt hat. Es entsteht Verbindung zum Gegenüber.

Bei mir ist es dann häufig so, dass ich, nachdem ich mir selbst Empathie gegeben habe, neugierig werde und es mich wirklich interessiert, was beim anderen gerade los war. Ich möchte es verstehen und demjenigen empathisch, mit offenen Herzen und Armen gegenüber treten.

"GFK verlangt von uns, dass wir uns ständig der Schönheit in uns selbst und anderen Menschen bewusst sind." 

Marshall B. Rosenberg

Ich nenne es nicht verlangen, sondern ich möchte gerne die Schönheit in mir und in meinen Mitmenschen erkennen und mir diese immer wieder bewusst machen. Ich möchte Menschen sehen, mit all ihren guten Absichten, die sie haben.

Und ja: das ist nicht immer leicht. Das ist auch mal anstrengend. Mir hilft es, dass ich mir immer wieder mein Ziel vor Augen halte:

Ich mag ein wertschätzendes, empathisches Miteinander auf Augenhöhe zwischen uns Mitmenschen fördern und erreichen. Wir haben alle etwas gemeinsam: Unser Herz und das Bedürfnis beitragen zu wollen, dass es allen Menschen gut geht.


Es ist herausfordernd, Neues zu lernen und an Veränderung dranzubleiben.

Für mich ist die Selbstempathie ein wunderbarer Weg, um mit mir in Verbindung zu kommen. Ich erlebe, dass ich erst danach wirklich präsent und in Verbindung mit meinen Mitmenschen sein kann.

Wenn man erstmal diese tollen Gefühle und das positive Erleben einer Veränderung gespürt hat, ist der Motor gestartet und der Antrieb ist da. Manchmal stärker, manchmal schwächer und immer wieder auch nicht, weil man wieder im "alten Fahrwasser" gelandet ist. Das ist einfach menschlich.

Es lohnt sich dranzubleiben.


Ich grüße dich herzlich und bin dankbar, dass du bis hier gelesen hast. 

Silvia