NEIN. Wie kann ich damit (anders) umgehen?
"Alles, was andere Menschen jemals ausdrücken sind ihre Gefühle und Bedürfnisse. Die einzigen Dinge, die Menschen jemals sagen, ganz egal wie sie es ausdrücken mögen, handeln davon, wie es ihnen geht."
Marshall B. Rosenberg
Wenn ein Mensch Nein sagt, dann sorgt er in dem Moment für sich und wir können dieses Nein anstatt als Zurückweisung als Geschenk sehen,, weil wir in dem Moment eine Offenheit erfahren, durch die wir unser Gegenüber kennenlernen dürfen.
Häufig empfinden Menschen ein Nein, als ein Nein gegen sich. Gedanken wie: "Der andere möchte nichts mit mir unternehmen.", "Derjenige interessiert sich nicht für mich.", "Ist egoistisch.", "Alles andere ist wichtiger als ich." u.ä. kommen einem in den Sinn.
Es gibt Menschen, denen fällt es schwer Nein zu sagen, weil sie dem anderen nicht vor den Kopf stoßen wollen, weil sie selber Erlebnisse hatten, in denen ihnen ein Nein nicht gut getan hat oder weil sie Sorge haben, dass sie nicht (mehr) gemocht werden, wenn sie Nein sagen. Sie zeigen ihre eigenen Grenzen nicht auf.
Gleichzeitig übernehmen sie auch nicht die Verantwortung für sich selbst, übergehen sich und sind irgendwann angestrengt, weil sie viel zu viel Energie für andere aufwenden und nicht wohlwollend für sich sorgen. Zudem nehmen sie sich wahrscheinlich selbst nicht ernst, sind immer wieder innerlich zerrissen, weil sie zwischen Echt sein/Grenzen setzen wollen (klar Nein sagen und zu sich selbst Ja) und Rücksichtnahme, den anderen "nicht vor den Kopf zu stoßen" hin und her schwanken.
Wenn wir GFK-Ohren (oder auch "Giraffen"-Ohren) aufhaben, dann hören wir hinter einem Nein keine Zurückweisung oder ein "gegen mich"., sondern wir hören, dass der andere gut für sich sorgt, seine eigenen Grenzen wahrt und echt sein möchte (Authentizität).
Ich erlebe auch Vertrauen, weil die Person zu mir Nein sagen kann.
Es kann herausfordernd sein, ein Nein zu hören, weil wir eine Vorstellung hatten, wie wir uns ein oder mehrere Bedürfnisse erfüllen können. Wir gehen mit der Erwartung zu diesem Menschen, dass er JA sagt, weil es unsere Lieblingsstrategie ist. Voller Vorfreude gehen wir auf diesen Menschen zu, in dem Glauben, dass unser Gegenüber das doch genauso sehen wird, wie wir.
Dann kommt ein Nein... BÄÄHM, manchmal ist dieses Nein eine Mauer. Vor allem dann, wenn ich wirklich davon ausgegangen bin, dass der andere Ja sagt.
Das kann sich auch mal anfühlen, als wären wir gerade gegen eine Mauer gerannt. Es schmerzt.
Ja, ein Nein kann schmerzen. Wir öffnen uns diesem Menschen, äußern einen Wunsch und dann kommt ein Nein... Puuh. Das will erstmal verdaut werden.
Zwei Menschen - zwei unterschiedliche Bedürfnisse prallen aufeinander.
Der eine möchte in Ruhe Zeitung lesen, der andere möchte Austausch.
Austausch trifft auf Ruhe haben wollen.
Sich öffnen wollen trifft für sich sein wollen.
Besprechen wollen trifft auf Nein, jetzt mag ich gerade nicht.
Bewegung trifft auf Ausruhen.
Essen gehen trifft auf Essen bestellen.
Paarzeit trifft auf "Ich will lieber etwas als Familie machen."
Natur trifft auf Kultur erleben.
... und so weiter ...
Ich kann jetzt mit meinem Schmerz reagieren und meinem Gegenüber vielleicht zeigen, dass er Schuld trägt, dass es mir jetzt nicht gut geht, weil derjenige mich zurückgewiesen hat.
oder:
Ich kann meinen Schmerz spüren, Verantwortung dafür übernehmen, hin atmen und mir selbst sagen:
"Schade, ich bin gerade ein bisschen traurig, weil ich das und das mit diesem Menschen gerne gemacht hätte. Ja, das ist wirklich schade." Dazu kann ich daran denken, dass derjenige gerade seine Bedürfnisse, was er gerade braucht, spürt und gut für sich sorgt. Ich kann in die Akzeptanz und in die Eigenverantwortung für meine Gefühle gehen sowie empathisch mit mir selbst sein. In mich hineinspüren.
Wenn ich das mache, spüre ich innere Ruhe in mir und kann z.B. nachfragen (wenn der andere nicht gerade Ruhe möchte):
"Okay, ich höre du brauchst gerade etwas anderes als ich und ich freu mich, dass du mir das sagst.
- Was hälst du davon, wenn wir morgen gemeinsam etwas unternehmen.
- Können wir vielleicht in einer Stunde reden.
- Ich würde dir wirklich gerne etwas erzählen, magst du mir sagen, wann du ein Ohr für mich hast/wir reden können? / passt es in einer Stunde bei dir? (o.ä.)
- Weißt du, ich bin auch gerne als Familie zusammen und gleichzeitig genieße ich unsere Zweisamkeit. Meinst du wir finden in der nächste Woche Zeit für uns zu Zweit?
- Mir ist es wirklich wichtig, dass wir das gemeinsam entscheiden. Lass uns morgen früh darüber reden, okay?"
Wir möchten im Grunde unseres Herzens nicht, das jemand etwas für uns aus Schuld, Furcht oder Scham tut. Wir möchten gerne, dass Menschen von Herzen etwas für oder mit uns tun.
Sobald wir ein Nein als Zurückweisung empfinden, reagieren wir häufig aus einer Verletzung heraus. Wir werden mit Konsequenzen, Liebesentzug usw. drohen oder uns so verhalten dass unser Gegenüber sich "schlecht/"falsch" fühlt."
Was derjenige aus unserer Sicht ja "verdient", weil er uns zurückgewiesen hat.
Wir dürfen überprüfen
"Auf welche Art und Weise wir uns mit anderen Menschen in der Welt verbinden möchten".
Ich darf mir in Situationen bewusst werden:
- Gehen mir Urteile/Bewertungen durch den Kopf?
vs.
- Geht mir Empathie und Verbindung durch den Kopf?
Ich halte an und horche mir selbst zu, was ich in meinen Gedanken gerade sage. (Marshall B. Rosenberg nennt das "spirituelle Klarheit")..Dieses Anhalten und sich zuhören ohne meine Gedanken nach außen zu tragen braucht Zeit und Übung, damit wir mehr und mehr lernen, unser Reagieren wollen anzuhalten und erstmal uns selbst zuzuhören.
"Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit."
Viktor Frankl
Übung, Übung und Übung hilft... sowie Zeit und Geduld mit sich selbst.
Auf welche Art und Weise möchte ich mich mit Menschen verbinden und auf welche Art und Weise, möchte ich, dass mit mir umgegangen wird?
Jedes Mal, wenn du ein Nein hörst und DENKST du wirst zurückgewiesen, sag erstmal nichts, sondern atme und horche in dich hinein. Du kannst dir in dem Moment oder später eine Notiz machen und z.B. am Abend nochmal hinschauen, was deine Gründe waren, welche Bedürfnisse unerfüllt waren, dass du das Nein als Zurückweisung nicht als Geschenk empfunden hast.
Ein Nein ist für mich ein Geschenk, weil ich erlebe, dass der andere gut für sich sorgt. Ich möchte auch gut für mich sorgen und ganz ehrlich: Ich empfinde es als große Entlastung, wenn ein Mensch für sich gut sorgt.
Ich spüre Druck in mir wenn mein Gegenüber das nicht macht, weil ich den Eindruck habe, ich müsse dann für denjenigen sorgen, mir Fürsorge am Herzen liegt.
Ja, ich müsste mich nicht kümmern gleichzeitig habe ich das als Kind gelernt und es fällt mir oft schwer, loszulassen. Das ist nicht die Verantwortung meines Gegenübers.
Ich erzähle es, damit die die ungern nein sagen, weil sie z.B. Rücksicht nehmen wollen, selbst schlecht mit einem Nein umgehen können, sich übergehen, weil sie aus ihren Gründen heraus, denken sie dürfen ihre Grenzen nicht wahren, ein Nein darf nicht sein u.ä., erkennen, das ein Nein manchmal auch das Gegenteil vom dem auslöst, was sie eigentlich wollen.
Mir persönlich erfüllt ein Nein meines Gegenübers Echt sein, Vertrauen, Offenheit, Verbindung, Augenhöhe, Klarheit, Orientierung, Miteinander, Sicherheit und die Chance den anderen kennenzulernen und wirklich herauszufinden, wann und wie ich mit demjenigen gemeinsame Bedürfnisse erfüllen kann.
Bedürfnisse sind unabhängig von Zeit, Ort, Person, Objekt, Aktivität. Ein Nein eröffnet so viele Möglichkeiten zu einem echten Ja zueinander zu finden.
Aus diesen Gründen ist ein Nein ein Geschenk für mich.
Magst du deine Gedanken zu meinem Geschriebenen teilen?
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Ich grüße dich herzlich
Silvia