"Du machst, was ich dir sage!" - Adultismus vs. GFK ein hilfreicher Weg hinzu Gleichwertigkeit und Verbindung -
"Wir handeln lieber aus dem Bedürfnis heraus, zum Leben beizutragen, als aus Schuld, Scham oder Pflichtgefühl. "
Marshall B. Rosenberg
Adultismus - Was ist das?
Der Begriff Adultismus leitet sich ab vom englischen Wort "adult" (erwachsene Person) und verweist durch die Endung -ismus auf eine Machtstruktur, die gesellschaftlich verankert ist. Adultismus benennt das vorhandene Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern, innerhalb dessen Erwachsene ihre Macht zu ihrem Vorteil nutzen.1 Dies geschieht auch dann, wenn Eltern oder pädagogische Fachkräfte sich nicht darüber bewusst sind. Viele Erwachsene gehen selbstverständlich davon aus, kompetenter, reifer und klüger zu sein als Kinder. Sie denken, sie haben das Recht, über junge Menschen zu bestimmen, ohne sie zu fragen.
Vgl. NCBI Schweiz/Kinderlobby Schweiz (2004): Not 2 young 2 – Alt genug um … Rassismus und Adultismus überwinden. Schaffhausen: K2-Verlag
Beispiele aus dem Alltag mit Kinder:
"Du machst, was ich dir sage."
"Du bist jetzt satt."
"Du bist noch nicht satt."
"Ich weiß, dass du fieren wirst. Zieh die Jacke an."
"Es gab vorhin Abendessen. Da wolltest du nichts. Jetzt willst du etwas essen, weil du Hunger hast. Es gibt jetzt nichts mehr."
"Hör auf zu jammern. Es gibt überhaupt keine Grund."
"Das ist nicht schlimm."
"Dafür bist du noch zu klein."
"Da ist er wieder bockig."
"Stell dich nicht so an."
"Du bist müde."
Kinder können manches noch nicht erkennen und brauchen unsere liebevolle Begleitung, um das zu lernen.
Beim Adultismus wird nicht beachtet, dass Kinder gleichwertig und gleich wertvoll sind.
"Leider wird Adultismus im Alltag häufig als selbstverständlich gesehen und oft gar nicht als Diskriminierungsform wahrgenommen", sagt Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Christina Wehlheit im Interview (Quelle: ZDFheute).
"Adultismus, als erste Diskriminierungsform eines fast jeden Menschen, kann dazu führen oder gar konditionieren, alle weiteren Diskrimierungsformen zu akzeptieren oder selbst auszuüben, zumindest wir weiterführende Diskriminierung erleichtert." (Quelle: kita-fachtexte.de Richter 2013)
Was hast das mit der Gewaltfreien Kommunikation zu tun?
Die Gewaltfreie Kommunikation trägt - im Gegensatz zu der Sprache des Adultismus - dazu bei, dass wir in den Kontakt - als erstes - mit uns selbst kommen.
Zum Beispiel:
Ich möchte, dass mein Kind seine Jacke anziehen soll, weil ICH denke, dass es ohne zu kalt ist, dann ist das mein persönlicher EINDRUCK. Die nächste Frage, die ich mir stellen kann, wäre: muss es JETZT sofort sein, dass das Kind die Jacke anzieht?
Ja, weil es mir wichtig ist, dass mein Kind gesund bleibt und es ihm warm ist.
Nächste Frage: Gibt es Kompromisse, so dass ich mein Kind mit einbeziehen kann?
Aus meiner Erfahrung gibt es immer auch andere Wege, als mein Weg, den ich in meiner Vorstellung habe. Ich habe den Gedanken, dass meiner der einzig wahre und richtige Weg ist.
Ein Gespräch könnte z.B. sein:
"Ich habe den Eindruck, dass es draußen kalt ist.. Zieh bitte deine Jacke an."
"Nein."
Ups, ein Nein. Das haben wir nicht erwartet oder vielleicht auch schon kommen sehen.
Frage: Wie würdest du mit deiner besten Freundin/Freund reden, wenn du sagts, du es ist kalt draußen. Ich denke, eine Jacke wäre gut." Freund/in: "Nö. Ich brauche keine."
Käme dann: "Du machts, was ich sage!", "Ich weiß, dass du frieren wirst. Zieh deine Jacke jetzt an.", "Darüber diskutiere ich nicht. Zieh deine Jacke an." , "Wenn du nicht deine Jacke anziehst, dann..."
Würdest du so mit deiner Freundin/Freund sprechen?
Wahrscheinlich nicht. Diese Sätze sind Adultismus.
Was können wir stattdessen sagen?
Ich habe ein Nein gehört. Das wirkt irgendwie gegen mich. Ist es nicht. Das Kind spricht für sich. Es hat seine guten Gründe dafür nein zu sagen.
Empfehlung bei einem Nein: erstmal Selbstempathie:
Ich gehe in mich: Ich spüre, das ich unsicher werde und vielleicht ärgerlich. Was brauche ich gerade?
Ich spüre, dass ich (z.B.) Leichtigkeit und Entlastung brauche. Wenn ich daran denke, dass mein Kind ohne Jacke rausgeht und dann friert, dann könnte es krank werden. Das bedeutet, dass es vielleicht leidet, ich unruhige Nächte habe und mich in der Arbeit krank melden muss... Puuh da spüre ich inneren Druck. Ich möchte zudem, dass es meinem Kind gut geht (Bedürfnis nach Fürsorge).
Ja, ich möchte es gerade leicht haben und möchte, das mein Kind auf mich hört, weil auch ich meine guten Gründe habe. Außerdem möchte ich, dass wir beide gesund bleiben und eine schöne Zeit miteinander haben.
Ich spüre, dass es mir besser geht.
Jetzt fallen mir gleich Alternativen ein:
"Du magst ohne Jacke rausgehen und selber spüren, ob es zu kalt ist?"
"Ja."
"Okay. Weißt du was, wir gehen jetzt raus und ich packe deine Jacke ein. Wenn es dir auch zu kalt ist, dann komm zu mir und du ziehst die Jacke an. Ich ziehe jetzt noch meine Jacke an und dann los., ab nach draußen."
Wie geht es dir mit diesem Gespräch?
Dieses Gespräch kann man auf viele andere Situationen übertragen.
Für mich sind Kinder genauso Menschen, wie Erwachsene. Ich möchte ihnen mit Gleichwertigkeit und Augenhöhe begegnen. Kinder möchten gerne mit einbezogen, ernst genommen und respektvoll behandelt werden.
Ich schaffe es auch nicht, dass ich immer so mit Kindern kommuniziere und verfalle auch in Adultismus. Er ist tief in uns verankert, weil er schon sehr lange gelebt wird.
Was gibt uns das Recht, Kinder nicht gleichwertig und gleichwürdig zu behandeln? Woher nehmen wir dieses Recht? Kinder sind genauso Menschen, wie du und ich.
Wenn man sich mit Adultismus befasst, findet man einer Umfrage, die zeigt, dass Kinder sehr wohl wissen, dass sie teilweise auf eine Art und Weise behandelt werden, in der Gleichwertigkeit und auch Respekt fehlt:
Quelle: ManuEla Ritz (Diplom-Sozialpädagogin, Teamerin, Coachin und Autorin) aus kita-fachtext.de Richter 2013
Zitiert aus dem Text:
"In von Ritz durchgeführten Interviews antworteten Kinder auf die Frage:
"Wann es für dich einfach schön ist, mit Erwachsenen zusammen zu sein?" u.a. wie folgt:
Immer dann, wenn die Erwachsenen "(...) vernünftig und gerecht sind und Kinder nicht, wie Babys behandeln." "(...) nett, zuverlässig. Gutmütig und nicht gemein sind. Wenn sie beschützen, nicht zu sehr verwöhnen und mehr mit mir unternehmen." "(...) wenn sie die Kinder fragen, was sie machen wollen." "(...)mich, wie sich selbst behandeln."."
Zudem habe ich einen Artikel gefunden, der beschriebt, was Adultismus und, wie er sich zeigt:
Quelle: zitiert aus: Veto - In diesem Ton - ManuEla Ritz:
"ManuEla Ritz bekräftigt: "Als Kind sind ständig Erwachsene um dich, die irgendetwas meinen, bemerken, tun oder von dir wollen. Das fühlt sich wie Absicht an – und die Konsequenzen sind die gleichen." Der kanadische Soziologe Adam Fletcher nannte Adultismus "eine Abhängigkeit von den Einstellungen, Ideen, Überzeugungen und Handlungen von Erwachsenen".
"Die Idee hinter Adultismus besagt, dass Erwachsene besser seien als Kinder", sagt Ritz kurz. Und aus dieser Annahme ergebe sich die vermeintliche Notwendigkeit, junge Menschen zu erziehen, sie zu maßregeln und zu reglementieren. "Sogenannte Erwachsene werden befugt, über noch nicht Erwachsene zu verfügen." Menschen werden unterdrückt oder benachteiligt – allein aufgrund ihres Alters. Diese Machtungleichheit sei so besonders schädlich, weil Kinder auf die Unterstützung Älterer angewiesen und deshalb abhängig sind, erklärt Ritz.
"Ein Kind hat mal zu mir gesagt, dass es gar nicht mag, wenn Erwachsene ihm in die Augen schauen. Das bedeute immer Ärger", erzählt Ritz. "Augenkontakt ist uns enorm wichtig. Wenn Kinder sich abwenden, müssen wir versuchen zu verstehen, warum sie es tun, anstatt ihn einzufordern." Der Erwachsenen-Klassiker "Schau mich an, wenn ich mit dir rede" gebe viel darüber preis, wie Kinder häufig wahrgenommen würden: als Empfangende von Weisungen."
=> hier geht es zum gesamten Artikel: veto-mag.de
Auch aus dem Artikel zum Thema: was können wir anders machen?:
"Freiheiten schaffen
"Das ist die Arbeit, die Erwachsene leisten müssen: immer zu überlegen, wann ich meine Macht einsetze. Kann ich Forderungen mit mehr begründen als: 'Weil es so ist'? Und haben meine Forderungen gerade wirklich den Schutz des Kindes zum Ziel – oder geht es mir um Kontrolle? Wo verlaufen die Grenzen meiner Sorge und Angst?" Als ihre Kinder noch jünger waren, hätten sie ihr damals imaginierte "Adultismus-Buttons" aufgedrückt, wann immer sich ManuEla Ritz bevormundend verhielt. "Ich müsste heute von oben bis unten beklebt sein!"
Die beste Methode, adultistisches Verhalten bei sich festzustellen, sei es, sich von Kindern spiegeln zu lassen. Viele hätten sich, beobachtet die Sozialpädagogin, auf den Weg gemacht – ob privat oder in Einrichtungen. "Ich kenne eine Kita mit einem Kinderrestaurant, in dem die Kinder tagsüber essen können, wenn sie Hunger haben. Ohne feste Zeiten." Die Freiheit, über die Erfüllung grundlegender Bedürfnisse bestimmen zu können, lege den Grundstein für die Entwicklung des eigenen Willens und auch für das Lauschen nach den eigenen Wünschen."
Der letzte Absatz klingt für mich nach Zuversicht und Hoffnung, dass wir auf dem Weg hinzu Veränderung sind.
Es ist ein Weg und ich wünsche mir, dass mehr und mehr Menschen ihn beschreiten.
Letzten hatten wir eine Pädagogen Schulung, in der wir auch das Thema Adultismus besprochen haben. Als wir uns zum 2. Teil der Schulung zwei Wochen später trafen, sagte eine Lehrerin: Mich hat das Thema Adultismus sehr berührt und ich habe mich weiter damit beschäftigt. Ich habe festgestellt, dass ich mich wirklich häufig im Umgang mit Kindern im Adultismus befinde. Das mag ich ändern. Deshalb bin ich jetzt neugierig auf den zweiten Teil der Fortbildung und dem Thema Gewaltfreie Kommunikation.
Wow, das hat mich sehr berührt.
Gleichzeitig ist es sehr interessant, das Pädagogen an Schulen und Kindergärten, zumindest die die ich gefragt habe, Adultismus noch immer nicht kennen, obwohl dieses Thema in Fachkreisen seit längerem Thema bekannt ist und erforscht wurde. Man kann es auch schon an dem Text, den ich oben zitiert habe sehen: Er stammt von 2013!
Ich bin immer wieder erstaunt, dass dieses aus meiner Sicht wichtige Thema noch immer nicht so verbreitet bekannt ist.
Wie oben zitiert, ist Adultismus die erste Diskriminierungsform eines Menschen. Wenn ein Mensch viel davon erfährt, er eher dazu tendiert, später andere zu diskriminieren. Diese Schlussfolgerung finde ich logisch und ein Grund mehr genau in mich hineinzuhorchen, welche Worte ich gerade zu meinem Kind oder zu Kindern sagen möchte. Hilfreich ist es, wenn ich mir überlege, ob ich so mit meiner besten Freundin oder Freund reden würde.
Was hat die Gewaltfreie Kommunikation damit zu tun?
Aus meiner Sicht und persönlichen Erfahrung kann die GFK z.B dabei helfen:
* meine Gedanken zu sortieren und mich in mich einzufühlen, um was es mir in dem Moment geht und was ich brauche (= Selbstempathie/Selbstklärung)
* andere Sichtweisen anzuerkennen und in die Akzeptanz zu gehen
* die vielen Strategien, mit denen ich mir Bedürfnisse erfüllen kann, zu entdecken
* auf Augenhöhe zu kommunizieren
* Empathie zu schenken
Mit all diesen Möglichkeiten kann ich lernen mehr und mehr ohne Adultismus zu kommunizieren und zu handeln.
Das stärkt nicht nur mein Kind/die Kinder, sondern auch unsere Verbindung zueinander.
"Möchtest du Recht haben oder glücklich sein? Beides geht nicht."
Marshall B. Rosenberg
Ich möchte gerne, das meine Kinder mir vertrauen, sie mit allem zu mir kommen können, was sie beschäftigt und wir eine liebevolle Verbindung leben.
Ich möchte meine Kinder ernst nehmen und sie sehen genauso, wie ich mich ernst nehme und sehe.
Jeder Mensch, ob Kind oder Erwachsener ist gleich viel wert, darf gehört und auf Augenhöhe gesehen werden.
Was sind deine Gedanken dazu?
Lass mich gerne daran teilhaben und schreib mir über untenstehendes Formular.
Ich grüße dich herzlich
Silvia
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